Zurück zu den Artikeln

Was ist Backtesting

Backtesting ist wie ein Videospiel, bei dem man die Zeit zurückspulen und verschiedene Strategien ausprobieren kann, um zu sehen, was passiert wäre. Stell dir vor, du bist ein Trader und möchtest wissen, ob eine bestimmte Methode des Kaufens und Verkaufens von Aktien in der Vergangenheit Geld eingebracht hätte. Backtesting ermöglicht es dir, so zu tun, als hättest du diese Strategie über Monate oder Jahre angewendet, und dann die Ergebnisse zu prüfen – ohne echtes Geld zu riskieren.

Stell es dir als eine Trading-Zeitmaschine vor. Du nimmst deine Handelsregeln – wie „kaufe, wenn dieser Indikator steigt“ und „verkaufe, wenn er fällt“ – und wendest sie auf historische Marktdaten an. Der Computer sagt dir dann genau, was passiert wäre, wenn du diesen Regeln in der Vergangenheit gefolgt wärst.

Die erste Reaktion der meisten Menschen, wenn sie Backtesting-Ergebnisse sehen, ist, sich anzusehen, wie viel Geld sie damit verdient hätten. Aber hier ist der wichtige Punkt: diese Zahl allein sagt wenig aus. Und noch wichtiger: nur weil etwas in der Vergangenheit funktioniert hat, heißt das nicht, dass es in der Zukunft funktionieren wird. Märkte verändern sich, und was gestern funktioniert hat, funktioniert morgen vielleicht nicht mehr.

Dennoch ist Backtesting unglaublich wertvoll. Es hilft dir, große Fehler zu vermeiden und deine Trading-Entscheidungen weniger falsch zu machen. Es ist wie ein Sicherheitsnetz, bevor du in echtes Trading einsteigst.

Was Genau ist eine Trading‑Strategie?

Bevor wir tiefer in das Backtesting einsteigen, schauen wir an, was eine Trading‑Strategie eigentlich ist. Eine Trading‑Strategie ist einfach eine Reihe von Regeln, die dir sagen, wann du kaufen und wann du verkaufen sollst. Es ist wie ein Rezept fürs Trading.

Deine Strategie könnte simpel sein, wie „kaufe, wenn der 20‑Tage‑Gleitender Durchschnitt über den 50‑Tage‑GD steigt, und verkaufe, wenn er darunter fällt.“ Oder sie könnte komplexer sein, mit mehreren Indikatoren, Chartmustern, Nachrichtenereignissen oder sogar der Mondphase (obwohl ich das Letztere nicht empfehlen würde).

Für diesen Artikel gehen wir davon aus, dass du technische Indikatoren zur Entscheidungsfindung verwendest. Deine vollständigen Regeln – wann kaufen, wann verkaufen, wie viel kaufen, wann aussteigen – das ist deine Strategie.

Eine Strategie zu entwickeln ist nicht schwer. Jeder kann eine erstellen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin herauszufinden, ob diese Strategie tatsächlich funktioniert. Macht sie Geld? Verliert sie Geld? Funktioniert sie konstant oder schwankt sie stark?

Als Trader möchtest du wissen, ob deine Strategie funktioniert, bevor du Dein echtes Geld einsetzt. Niemand fährt gerne mit verbundenen Augen, oder?

Aber hier ist das Problem: Du kannst die Zukunft nicht vorhersagen. Egal, wie viel du die Märkte studierst – du kannst nie 100 % sicher sein, was morgen, nächste Woche oder nächstes Jahr passieren wird.

Solltest du also einfach aufgeben?

Nein! Gib noch nicht auf. Auch wenn du die Zukunft nicht vorhersehen kannst, kannst du deine Erfolgschancen erheblich verbessern. So geht’s: Du kannst herausfinden, ob deine Strategie in der Vergangenheit funktioniert hat.

Stell dir vor, du könntest vor einem Jahr zurückreisen und ab diesem Punkt deiner Strategie folgen. Was wäre passiert? Hättest du Geld gemacht? Geld verloren? Wie viel? Wie oft hättest du gehandelt? Was wären deine größten Gewinne und Verluste gewesen?

Genau das macht Backtesting. Wenn du deine Strategie backtestest, erhältst du einen detaillierten Bericht darüber, wie sie auf historischen Marktdaten abgeschnitten hätte. Du erfährst Dinge wie:

  • Was wäre das Gesamtergebnis gewesen, wenn du 10.000 $ investiert hättest?
  • Wärst du besser gefahren als mit einem bloßen Kauf‑und‑Halten der Märkte?
  • Wie hoch war der durchschnittliche Gewinntrade?
  • Wie hoch der durchschnittliche Verlusttrade?
  • Wie viele Trades hättest du gemacht?
  • Was war dein größter Verlust?
  • Hättest du dir das schicke Boot leisten können, von dem du träumst?

Diese Zahlen sind faszinierend, aber denke daran: vergangene Performance garantiert keine zukünftigen Ergebnisse. Manche Menschen finden das enttäuschend, aber es ist tatsächlich gut, diese Einschränkung von Anfang an zu verstehen.

Was Backtesting Dir Wirklich Sagen Kann

Die gute Nachricht ist, dass Backtesting trotz allem unglaublich wertvolle Informationen liefert – auch wenn es die Zukunft nicht vorhersagen kann. Es hilft dir, deine Fehlerwahrscheinlichkeit zu verringern, indem du deine Erwartungen an reale Daten anpasst.

Du musst über die offensichtliche Frage hinausgehen: „War es profitabel oder nicht?“ und tiefer graben. Du solltest lernen, wie sich deine Strategie verhält, nicht nur ihre Endgewinnzahl. Hier sind die wichtigen Dinge, die Backtesting dir sagen kann:

Handelsfrequenz und Zuverlässigkeit

Hat deine Strategie viele Trades generiert oder sehr wenige? Das ist wichtig, weil:

  • Wenn du Gebühren zahlst, bedeuten mehr Trades höhere Kosten
  • Wenn du nur 5 Trades in einem Jahr hattest, kannst du den Statistiken nicht wirklich vertrauen – das sind zu wenige Daten, um sinnvoll zu sein
  • Wenn du 200 Trades hattest, kannst du zuversichtlicher auf die Ergebnisse sein

Denk daran: wenn du eine Münze fünfmal wirfst und viermal Kopf bekommst, könntest du denken, die Münze ist unfair. Aber wirfst du sie 1.000-mal und bekommst 600-mal Kopf, kannst du viel sicherer sein, dass etwas tatsächlich dahinter steckt.

Konsistenz vs. Volatilität

Liefern deine Trades gleichmäßige Ergebnisse, oder waren einige klein und andere riesig? Das verrät dir etwas über die Zuverlässigkeit deiner Strategie. Wenn die meisten deiner Trades kleine Gewinne/Verluste waren, aber ein paar massive Gewinne alles verändert haben, musst du fragen: wie wahrscheinlich ist es, dass diese riesigen Ausreißer wieder passieren?

Das ist wie ein Job, bei dem du meistens 50 $ verdienst, aber ab und zu 10.000 $. Das ist aufregend – aber kannst du dich auf diese großen Zahlungen regelmäßig verlassen?

Timing der Marktexposition

Hat deine Strategie dich zur richtigen Zeit am Markt exponiert? Hat sie dich rein geholt, wenn du rein sein wolltest, und raus, wenn du raus sein wolltest? Oder hat sie dich in schlechten Zeiten festgehalten und dich in guten Zeiten draußen gehalten?

Das ist entscheidend, denn selbst eine insgesamt profitable Strategie kann gefährliches Timing haben.

Risiko und Drawdown

Wie hoch war der schlimmste Drawdown deiner Strategie? Ein Drawdown bezeichnet den Verlust vom Höchststand deines Kapitals. Wenn deine Strategie beispielsweise von 10.000 $ auf 6.000 $ fiel, war das ein Drawdown von 40 %.

Auch wenn du nicht annehmen kannst, dass deine Gewinner wiederkommen, kannst du ziemlich sicher sein, dass Verluste erneut auftreten. Märkte haben schlechte Tage, Wochen und Monate. Deine Strategie muss in diesen Phasen bestehen, ohne dein Konto zu zerstören.

Verhaltensanalyse der Strategie

Was waren die häufigsten Probleme deiner Strategie? Hat sie:

  • Trades zu spät oder zu früh beendet?
  • Zuviel zu schlechten Zeiten eingestiegen?
  • In Seitwärtsmärkten versagt?
  • Große Bewegungen verpasst?
  • Falschen Signalen vertraut?

Das Verständnis dieser Muster hilft dir, deine Strategie zu verbessern oder zu wissen, wann du bestimmte Marktbedingungen meiden solltest.

Gewinnrate und Risiko/Ertrags-Verhältnis

Wie hoch war deine Gewinnrate (Prozentsatz der profitablen Trades)? Wie war dein durchschnittliches Risiko/Ertrags‑Verhältnis? Diese Zahlen arbeiten zusammen, um zu bestimmen, ob deine Strategie mathematisch tragfähig ist.

Zum Beispiel: wenn du 30 % der Zeit gewinnst, aber dein durchschnittlicher Gewinn dreimal so groß ist wie dein durchschnittlicher Verlust, könntest du trotzdem profitabel sein. Aber wenn du 30 % gewinnst und deine Gewinner nur 1,5-mal größer sind als deine Verluste, wirst du langfristig wahrscheinlich Geld verlieren.

Fragilität der Strategie

Wie sensitiv ist deine Strategie gegenüber kleinen Änderungen? Wenn sich deine Backtest-Zeitraum oder Parameter leicht ändern und die Ergebnisse völlig einbrechen – das ist ein großes Warnsignal.

Die Zukunft ist unberechenbar und turbulent. Wenn deine Strategie nur unter perfekten Bedingungen funktioniert, wird sie vermutlich im echten Trading nicht bestehen.

Was Backtesting Dir Nicht Sagen Kann

Es ist genauso wichtig zu verstehen, was Backtesting nicht kann. Ein Backtester wird dir niemals grünes Licht geben und sagen: „GO – diese Strategie wird definitiv profitabel sein.“

Folgendes kann Backtesting nicht leisten:

Zukunftsleistungen garantieren

Backtesting kann niemals garantieren, dass deine Strategie in der Zukunft profitabel sein wird. Märkte verändern sich, und was früher funktionierte, funktioniert morgen vielleicht nicht mehr. Neue Regulierungen, veränderte Marktbedingungen oder einfach dass andere Trader dieselben Strategien nutzen, können die Performance beeinflussen.

Perfekte Ein- und Ausstiegssignale

Backtesting kann dir nicht genau sagen, wann du in Echtzeit ein- oder aussteigen sollst. Die Signale, die in historischen Daten perfekt funktioniert haben, könnten im Live-Trading aufgrund von Marktgeräuschen, Slippage oder Verzögerungen bei der Ausführung nicht exakt ausgelöst werden.

Marktregime-Wechsel

Backtesting kann nicht vorhersagen, wann der Markt von einem Trend‑ zum Seitwärts‑Markt wechselt oder von niedriger zu hoher Volatilität. Solche Regime-Wechsel können Strategien komplett entwerten, die zuvor gut funktioniert haben.

Black‑Swan‑Ereignisse

Backtesting kann seltene, extreme Ereignisse, die in deinen historischen Daten nie vorkamen, nicht berücksichtigen. Marktcrashs, plötzliche Regeländerungen oder andere unerwartete Ereignisse können selbst die robustesten Strategies zerstören.

Wie man Backtesting‑Ergebnisse interpretiert

Das Interpretieren von Backtesting‑Ergebnissen bedeutet, die Persönlichkeit deiner Strategie zu verstehen. Es ist wie eine Person kennenzulernen – du lernst ihre Gewohnheiten, Stärken, Schwächen und was sie antreibt.

Beginne damit herauszufinden, ob deine Strategie sich so verhalten hat, wie du es beim Design erwartet hast. Manchmal bist du angenehm überrascht und stellst fest, dass sie besser ist als gedacht!

Du kannst herausfinden, welches Temperament deine Strategie hat, was dir eine bessere Vorstellung davon gibt, was du erwarten kannst. Zum Beispiel:

  • Wenn deine Strategie im vergangenen Jahr nur 10 Trades gemacht hat, erwarte nicht 3 Trades pro Tag in der Zukunft
  • Wenn 99 % deiner vergangenen Trades nur ±1 % Gewinn/Verlust waren, erwarte keine realistischen 30 % Gewinne pro Trade
  • Wenn deine Strategie in 100 von 120 Trades spät eingestiegen ist, erwarte in Zukunft kein perfektes Timing

Backtesting ist besonders gut darin, dir zu sagen, wann deine Strategie definitiv ungeeignet ist. Es kann dir vielleicht nicht sagen, „du musst diese Strategie jetzt traden“, aber es kann eindeutig sagen: „vergiss diese Strategie, hier ist nichts, was sich lohnt – weitergehen.“

Der wissenschaftliche Ansatz im Backtesting

Backtesting ist reine Forschung. Es bedeutet, die wissenschaftliche Methode im Trading anzuwenden. Das heißt, du entwickelst Hypothesen (z. B.: „wenn ich kaufe, wenn X passiert, und verkaufe, wenn Y eintritt, mache ich Geld“) und versuchst dann, sie zu widerlegen.

Beachte: ich sagte „widerlegen“, nicht „beweisen“. Du kannst nie endgültig beweisen, dass eine Strategie richtig ist. Das ist eine grundlegende Einschränkung der Methode. In der Wissenschaft kannst du nie beweisen, dass etwas wahr ist – aber du kannst nachweisen, dass es falsch ist.

Wenn du alles unternimmst, um zu beweisen, dass eine Strategie nicht funktioniert (durch Testen unterschiedlicher Zeiträume, Zeitrahmen, Parameter) und du sie immer noch nicht widerlegen kannst – dann ist das das Beste, was du erreichen kannst. Dann hast du keine logischen Gründe, diese Strategie nicht zu traden. Vielleicht hast du noch emotionale Gründe – aber keine logischen.

Ehrlich zu dir selbst zu sein bedeutet anzuerkennen, wenn das das Beste ist, was du gefunden hast. Mit der Zeit könntest du dennoch feststellen, dass sie in der Realität versagt. Dann musst du verstehen, warum, versuchen, sie zu verbessern, erneut zu widerlegen und den ganzen Prozess wiederholen.

Fortgeschrittene Techniken für besseres Backtesting

Einfach einen Backtest durchzuführen und die Ergebnisse anzuschauen ist ein guter Anfang, aber mehr Aufwand kann sich enorm auszahlen. Dein Ziel sollte sein: „die Strategie zu widerlegen“ oder „zu beweisen, dass sie schlecht ist“. Wenn das dein Ziel ist, kann aggressives Testen die Chance erhöhen, sie zu brechen.

Unterschiedliche Zeitperioden testen

Im Backtesting beobachtest du verschiedene Metriken. Manchmal sagen die Schwankungsbereiche dieser Metriken mehr aus als die tatsächlichen Werte. Probiere zum Beispiel, die Tiefe deines Backtests schrittweise zu verändern (z. B. 1.000 Kerzen, 2.000, 3.000 … bis zu 10.000 Kerzen) und beobachte, wie sich die Metriken verändern.

Sie werden zwangsläufig schwanken, aber wenn Kernmetriken wie Risiko/Ertrags‑Verhältnis, Gewinnprozentsatz oder Drawdown stark variieren, ist das ein Hinweis auf mögliche Fragilität deiner Strategie.

Du kannst denselben Effekt erzielen, indem du bei maximaler Tiefe backtestest, aber verschiedene Zeiträume verwendest. Wähle diese Perioden bewusst – eine Periode könnte einen Bärenmarkt repräsentieren, eine andere einen Bull‑Markt und eine eine Seitwärtsphase.

Sensitivitätsanalyse der Parameter

Teste, wie empfindlich deine Strategie gegenüber Parameteränderungen ist. Wenn das Ändern deines gleitenden Durchschnitts von 20 auf 21 deine Ergebnisse komplett ruiniert, ist das ein Warnsignal. Die Zukunft wird nicht exakt dieselben Bedingungen liefern, also muss deine Strategie gegenüber kleinen Änderungen robust sein.

Out‑of‑Sample‑Testing

Teile deine Daten in zwei Teile: einen Trainingssatz und einen Testsatz. Verwende den Trainingssatz, um deine Strategie zu entwickeln, und teste sie dann auf dem Testsatz, ohne Anpassungen basierend auf den Testergebnissen vorzunehmen. Das hilft dir, Überanpassung zu vermeiden.

Wie viele Trades brauchst du?

Die Fragen „Wie viele Trades pro Tag willst du normalerweise machen?“ und „Wie viele Trades pro Tag soll deine backgetestete Strategie machen?“ mögen ähnlich klingen, sind aber nicht identisch.

Wenn Backtesting dazu dient, das Temperament deiner Strategie kennenzulernen, willst du Ergebnisse erzeugen, denen du vertrauen kannst. Wenn dein Backtest nur einen Trade pro Jahr ergibt (aber was für ein epischer Trade!), mag das eine spannende Fallstudie sein – aber du hast Unsicherheit darüber, ob ein solcher Fall jemals wieder auftreten wird oder vielleicht nur einmal alle 22,3 Jahre passiert.

Wenn dein Backtest viele Trades liefert, bist du auf einem guten Weg. Wenn du im letzten Jahr z. B. 100 Einstiege hattest, kannst du in der Zukunft etwa dasselbe erwarten. Vielleicht 70, vielleicht 130 – aber eine Wahrscheinlichkeit von null Trades ist unwahrscheinlich.

Allerdings ist die Anzahl der Trades allein nicht ausreichend. Du musst auch die Verteilung der Renditen betrachten. Idealerweise tragen deine Trades relativ gleichmäßig zum Ergebnis bei. Mathematisch willst du, dass deine Renditeverteilung keine fetten Bälle („fat tails“) hat.

Sobald du eine Verteilung ohne fat tails hast, kannst du das Gesetz der großen Zahlen auf deine Backtestergebnisse anwenden. Dann kannst du relativ stabilen Verhalten deiner Strategie unter ähnlichen Umständen erwarten.

Die Gefahren des Curve‑Fittings

Es gibt ein berühmtes Zitat: „Mit vier Parametern kann ich einen Elefanten passend machen, und mit fünf kann ich ihm den Rüssel wackeln lassen.“ Das beschreibt perfekt eine der größten Gefahren im Backtesting.

Der Backtesting‑Prozess beinhaltet, das Ergebnis deiner Strategie zu analysieren, dann die Parameter anzupassen oder neue Variablen einzuführen und den Prozess zu wiederholen. Typischerweise willst du schlechte Eintritte herausfiltern, Verluste in kleinere Gewinne verwandeln oder Risikobelohnung gegen Gewinnrate austauschen.

Dabei passiert etwas Interessantes. Indem du beobachtest, wie deine Strategie auf einem bestimmten Datensatz funktioniert, und sie gezielt an diese Daten anpasst, machst du sie zwangsläufig besser an diesen speziellen Datensatz angepasst. Ein direkter Konflikt entsteht: Du willst, dass deine Strategie auf ungesehenen Daten (der Zukunft) gut funktioniert, aber die einzige Ressource, die du hast, sind die vergangenen Daten.

Deine Strategieregeln könnten echte Muster einfangen oder nur zufälliges Marktrauschen. Während des Backtestings gibt es keinen einfachen Weg, zwischen diesen beiden zu unterscheiden.

Wenn du mehr Geräusch als echte Muster beachtest, wirst du die Strategie so anpassen, dass sie auf zukünftigen, ungesehenen Daten versagt. Das nennt man Overfitting oder Curve-Fitting. Solche Strategien sehen in Backtests fantastisch aus, werden aber scheitern, sobald sie mit Marktdaten konfrontiert werden, die nicht Teil deines Datensatzes waren.

Wie man Curve‑Fitting vermeidet

Verallgemeinerung vs. Overfitting ist immer ein Balanceakt, sofern du nicht zufällig ein persistentes Muster mit idealer Präzision erfasst. Das ist ein tiefgehendes Thema, aber es gibt einige Faustregeln, die helfen, grob falsch zu liegen:

Erstens: Strebe nach Einfachheit in deiner Strategie. Erinnere dich daran, dass du annimmst, Muster zu erfassen, die sich in der Zukunft wiederholen. Je mehr Bedingungen du hinzufügst, desto größer ist das Risiko für Curve-Fitting. Frag dich: Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit, dass dein Entry-Bedingungsset in der Zukunft weiterhin auftritt?

In einem strengen mathematischen Sinne ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Boeing 787 durch Selbstorganisation in einer ausreichend großen Box mit ausreichend Ersatzteilen bildet (und aggressiv geschüttelt wird), nicht Null. Aber wie hoch ist sie wirklich?

Zweitens: Backteste deine Strategie auf zwei Datensätzen statt auf einem. Verwende den ersten („Training“) für den normalen Strategieentwicklungsprozess. Den zweiten („Test“) verwendest du, um Metriken zu überprüfen, analysierst aber keine konkreten Signale. Wenn du das tust, ruinierst du das Prinzip – der Testdatensatz wird „eingebettet“ wie der Trainingssatz.

Wenn deine Strategie im Testdatensatz immer noch gut aussieht, dann ist das ein gutes Zeichen – oder du hast geschummelt.

Drittens: Backteste deine Strategie, während du deine Eingabeparameter leicht variierst, und beobachte die Schwankung ihrer lebenswichtigen Kennzahlen. Wenn das Ändern deines SMA von 30 auf 29 deine Strategie komplett zerstört, frag dich: Gibt es klare Gründe, warum 30 so wichtig und besonders sein soll? Was passiert, wenn die perfekten Mustermoves, die du einfängst, in Zukunft langsamer oder schneller um genau eine Kerze sind?

Häufige Backtesting-Fehler, die du vermeiden solltest

Auch erfahrene Trader machen beim Backtesting Fehler. Hier sind einige häufige Fallstricke:

Transaktionskosten ignorieren

Viele Anfänger vergessen, Transaktionskosten in ihr Backtesting einzubeziehen. Jedes Mal, wenn du kaufst oder verkaufst, zahlst du Gebühren. Diese können sich schnell summieren, besonders bei hochfrequentem Trading. Eine Strategie, die ohne Gebühren profitabel aussieht, kann mit realistischen Kosten tatsächlich Verluste bringen.

Slippage nicht berücksichtigen

Slippage ist der Unterschied zwischen dem erwarteten Preis und dem tatsächlichen Preis, den du bekommen erhältst. Im echten Trading bekommst du nicht immer exakt den Preis, den du auf dem Bildschirm siehst. Besonders bei hoher Volatilität oder großen Orders kann Slippage erheblich sein.

Zukunftsinformationen verwenden

Das ist ein klassischer Fehler namens „Look-Ahead Bias“. Er entsteht, wenn deine Strategie Informationen nutzt, die zum Zeitpunkt der Trade-Entscheidung gar nicht verfügbar gewesen wären. Zum Beispiel: den Schlusskurs von heute zur Entscheidung benutzen, die eigentlich gestern hätte getroffen werden müssen.

Nicht genug Daten testen

Zu wenig Daten zu verwenden kann irreführende Ergebnisse liefern. Eine Strategie kann einige Monate gut funktionieren, über längere Zeiträume aber versagen. Teste über mindestens mehrere Jahre hinweg und berücksichtige unterschiedliche Marktbedingungen.

Marktregime ignorieren

Märkte durchlaufen unterschiedliche Phasen – Trends, Seitwärtsmärkte, volatile Phasen, ruhige Phasen. Eine Strategie, die in Trendmärkten gut funktioniert, kann in Seitwärtsmärkten versagen. Stelle sicher, dass dein Backtest unterschiedliche Marktregime umfasst.

Aufbau eines robusten Backtesting‑Prozesses

Um das Maximum aus Backtesting herauszuholen, brauchst du einen systematischen Ansatz. Hier ist ein Schritt-für-Schritt‑Prozess:

Schritt 1: Definiere deine Strategie klar

Schreibe deine Strategieregeln detailliert auf. Sei spezifisch bei Entry‑Bedingungen, Exit‑Bedingungen, Positionsgröße und Risikomanagement. Je präziser du bist, desto besser kannst du testen.

Schritt 2: Wähle deine Daten sorgsam

Nutze Daten, die zu deiner Strategie passen. Wenn du auf Tagescharts tradest, verwende Tagesdaten. Wenn du intraday tradest, nutze Minuten- oder Tickdaten. Stelle sicher, dass deine Daten sauber und akkurat sind.

Schritt 3: Richte deinen Backtest ein

Konfiguriere deine Backtesting‑Software mit realistischen Parametern. Füge Transaktionskosten, Slippage und andere reale Einschränkungen hinzu. Beginne mit einer einfachen Version deiner Strategie.

Schritt 4: Führe erste Tests durch

Starte deinen Backtest und analysiere die grundlegenden Metriken. Freu dich nicht zu früh über gute Ergebnisse und lass dich nicht entmutigen von schlechten – das ist erstmal nur der Anfang.

Schritt 5: Teste deine Strategie unter Druck

Teste deine Strategie in verschiedenen Zeiträumen, unter unterschiedlichen Marktbedingungen und mit verschiedenen Parametern. Versuche, sie zu «brechen». Wenn sie fragil ist, willst du das jetzt wissen.

Schritt 6: Optimiere vorsichtig

Wenn deine Strategie Potenzial zeigt, nimm kleine Verbesserungen vor. Aber sei vorsichtig – überoptimiere nicht. Denk an die Gefahren des Curve‑Fittings.

Schritt 7: Validiere ausserhalb des Samples

Teste deine finale Strategie auf Daten, die sie vorher nicht gesehen hat. Das ist dein Realitätstest.

Wichtige Backtesting‑Kennzahlen verstehen

Backtesting liefert viele verschiedene Kennzahlen. Hier sind die wichtigsten, die du verstehen solltest:

Gesamtrendite

Das ist der Gesamtrendite‑Prozentsatz aus deinem Startkapital. Die meisten Menschen konzentrieren sich darauf, aber es ist nicht die wichtigste Kennzahl.

Annualisierte Rendite

Das wandelt deine Gesamtrendite in eine Jahresrate um, was Vergleiche zwischen Strategien mit unterschiedlichen Zeiträumen erleichtert.

Maximaler Drawdown

Das ist der größte Rückgang vom Spitze‑ zum Tiefpunkt deines Kontowertes. Es misst die schlimmste Verlustphase, die du erlebt hättest.

Sharpe‑Ratio

Sie misst risikoadjustierte Renditen. Sie zeigt, wie viel Rendite du pro Einheit Risiko bekommst. Mehr ist besser.

Gewinnrate

Das ist der Prozentsatz der profitablen Trades. Wichtig, aber nicht so entscheidend, wie manche glauben.

Profitfaktor

Das Verhältnis von Bruttogewinn zu Bruttoverlust. Ein Profitfaktor über 1,0 bedeutet Profitabilität – je höher, desto besser.

Durchschnittlicher Gewinn vs. Durchschnittlicher Verlust

Das zeigt dir die Größe deiner typischen Gewinne und Verluste. Du willst, dass dein durchschnittlicher Gewinn größer ist als dein durchschnittlicher Verlust.

Anzahl der Trades

Das zeigt dir, wie aktiv deine Strategie ist. Mehr Trades bedeuten mehr Chancen, aber auch höhere Kosten.

Wann kannst du deinen Backtesting‑Ergebnissen vertrauen?

Nicht alle Backtesting‑Ergebnisse sind gleich vertrauenswürdig. Hier sind einige Richtlinien, wann du mehr Vertrauen haben kannst:

Szenarien mit hoher Zuverlässigkeit

  • Deine Strategie wurde mindestens 3–5 Jahre getestet
  • Sie umfasst verschiedene Marktbedingungen (Bullenmärkte, Bärenmärkte, Seitwärtsmärkte)
  • Sie hat eine angemessene Anzahl Trades (mindestens 30‑50)
  • Die Ergebnisse sind über verschiedene Zeiträume konsistent
  • Kleine Parameteränderungen wirken sich nicht stark auf die Ergebnisse aus
  • Out‑of‑Sample‑Testing bestätigt die Ergebnisse

Szenarien mit niedriger Zuverlässigkeit

  • Getestet nur über wenige Monate
  • Nur in einem Marktregime getestet
  • Sehr wenige Trades (< 20)
  • Ergebnisse verändern sich drastisch bei kleinen Parameteränderungen
  • Out‑of‑Sample‑Testing zeigt schlechte Ergebnisse
  • Strategie ist übermäßig komplex mit vielen Parametern

Vom Backtesting zum Live‑Trading

Sobald du eine Strategie hast, die im Backtesting gut aussieht, ist der nächste Schritt der Übergang zum Live‑Trading. Aber dieser Übergang erfordert sorgfältige Planung:

Klein anfangen

Riskiere nicht dein gesamtes Kapital mit einer Strategie, die nur im Backtesting getestet wurde. Fang mit einem kleinen Betrag an, um die Strategie unter realen Marktbedingungen zu testen.

Erst Paper Trading

Ziehe Paper Trading in Betracht (simuliertes Trading mit Echtzeitdaten), bevor du echtes Geld einsetzt. So erkennst du Probleme mit Ausführung, Timing oder psychologischen Faktoren.

Genau überwachen

Wenn du mit dem Live‑Trading beginnst, überwache deine Ergebnisse genau. Vergleiche sie mit deinen Backtest‑Ergebnissen. Wenn sie deutlich abweichen, versuche zu verstehen, warum.

Sei bereit für Enttäuschungen

Echte Trading‑Ergebnisse sind fast immer schlechter als Backtesting‑Ergebnisse. Das ist normal und zu erwarten. Lass dich nicht entmutigen, wenn deine Live‑Performance nicht genau mit deiner Backtest‑Performance übereinstimmt.

Ständig verbessern

Nutze deine Live‑Trading‑Erfahrung, um deine Strategie zu verbessern. Du lernst Dinge, die Backtesting dir nicht beibringen konnte.

Fazit

Backtesting ist ein mächtiges Werkzeug für Trader, aber es ist kein Kristallkugel. Es kann die Zukunft nicht vorhersagen, aber es kann dir helfen, die Vergangenheit besser zu verstehen und fundiertere Entscheidungen über deine Trading‑Strategien zu treffen.

Der Schlüssel ist, Backtesting als Forschungsinstrument zu verwenden, nicht als Garantie für zukünftige Gewinne. Konzentriere dich darauf zu verstehen, wie sich deine Strategie verhält, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und ob sie robust genug ist, unterschiedliche Marktbedingungen zu bewältigen.

Denke daran: das Ziel von Backtesting ist nicht zu beweisen, dass deine Strategie perfekt ist, sondern zu widerlegen, dass sie schlecht ist. Wenn du sie nach gründlichem Testen nicht widerlegen kannst, hast du möglicherweise etwas, das es wert ist, mit echtem Geld ausprobiert zu werden.

Aber fang immer klein an, überwache genau und sei bereit, aus deinen Fehlern zu lernen. Die Märkte ändern sich ständig, und was gestern funktioniert hat, funktioniert morgen vielleicht nicht mehr. Die besten Trader sind diejenigen, die sich anpassen und sowohl aus Erfolgen als auch aus Fehlern lernen können.

Backtesting ist nur ein Werkzeug in deinem Trading‑Werkzeugkasten, aber ein essenzieller. Nutze es weise, und es kann dir helfen, ein informierterer und erfolgreicher Trader zu werden.